Vorbemerkung:

Die folgenden Texte und Bilder stammen aus Büchern, deren Titel und Autoren uns nicht bekannt sind.

SIEDLUNGSANLAGE SCHMELZ (1919—1924)
deren prominente Bewohner

Die Ortsbezeichnung "Schmelz" erinnert an ein altes Schmelzhaus, das sich bis zur zweiten Türkenbelagerung im Jahre 1683 an dieser Stelle befand. Urkundlich erwähnt wird das Gebiet erstmals 1309 als "Smeltz im Preitsewer aigen".

Possingergasse 1-37/ Mareschgasse 1-30/ Mareschplatz / Minciostraße 2-34/ Schraufgasse/ Wickhoffgasse 1-19/ Schöllerweg/ Gablenzgasse 101-107

Diese Kleinwohnsiedlung stellt den ersten Versuch des kommunalen Wohnbaus im Roten Wien dar. Bereits 1919 begonnen, also vier Jahre vor dem eigentlichen Anlaufen des großen Wohnbauprogramms, erinnert die Anlage viel mehr an die Siedlungsbewegung der unmittelbaren Nachkriegszeit als an die späteren Hofanlagen. Die Obst- und Gemüsegärten zwischen den Häuserzeilen waren eigeninitiativlerische Maßnahmen der Arbeiterschaft gegen die häufig nach dem Krieg auftretenden Hungersnöte.

Die Wohnsiedlung wurde in sechs Bauteilen errichtet; bei den Bauteilen I bis IV überwiegt deutlich sichtbar der Grundgedanke der Flachbauweise. In diesem älteren Siedlungsteil finden wir vorwiegend zweigeschossige Familienhäuser zu je 6-8 Wohnungen. Nur die straßenseitigen Außenmauern und Feuermauern wurden teilweise aus keramischen Ziegeln hergestellt. Die hofseitigen Außenmauern und alle nichttragenden Zwischenwände wurden mit Schlacken-Beton-Hohlziegeln oder gänzlich aus Schlackenstein mit Gips- oder Zementbindung ausgeführt. Selbst der anfallende Bauschutt wurde hier wiederverarbeitet.

Die Anlage wurde zwar gänzlich von der Gemeinde Wien errichtet, aber die Bewohner hatten die Möglichkeit, sich an landschaftlicher/gärtnerischer Gestaltung und am Ausbau der Wohnungen zu beteiligen. Gärten und Kinderspielplätze, Kleinviehunterbringungen, Anbau von Ställen und Ausbau des Dachbodens wurden zum Teil in gemeinsamer Arbeit und in Nachbarschaftshilfe ausgeführt. Dies führte zu einer gewissen sozialen Bindung zwischen den Mietern, ähnlich vielleicht dem Pioniergeist amerikanischer West-Siedler. Unter anderem besorgten die Mitglieder des „Vereins der Mieter und Hausgärtner der Siedlung Schmelz“ — an Stelle des sonst üblichen Hausbesorgers — die Gebäudereinigung selbst, um Betriebskosten zu sparen. Ebenfalls an die Anfänge der Siedlerbewegung erinnert die architektonische Beschwörung kleinmaßstäblicher, dörflicher Bau- und Wohnformen, wie zB. die wie Bauernhäuser wirkenden Doppelhäuser, der „Dorfplatz“ mit dem Brunnen in der Mitte usw.

Wenige Jahre später wurden dann in den Bauteilen V und VI in einer verbesserten Bauweise dreißig vier- bzw. fünfgeschossige Wohnhäuser mit jeweils acht bis zwölf Wohnungseinheiten fertiggestellt. Bei diesen Häusern zeichnete sich schon der Typus des kommunalen Wohnhofes ab. Die gesamte Wohnhausanlage umfasst 85 Wohnhäuser mit ursprünglich 832 Wohnungen und acht Geschäftslokalen. Auch das erste Kinderfreibad Wiens befand sich hier, im Park entlang der Gablenzgasse. Bemerkenswert an dieser Siedlung sind die Kleingärten im Hof. Durch den Kauf des ehemaligen Truppenübungsgeländes der Kaserne Schmelz wurden dort illegal ansässige Kleingärtner in die Anlage integriert. Die seinerzeitigen Gemüse- oder Obstgärten sind heute vielfach durch Ziergärten verdrängt. Die Wohnungen konnten aber nicht wie bei anderen Siedlungen nach Bedarf erweitert werden, da sie zu unflexibel gebaut waren, deshalb ist das Gesamtbild — trotz umfassender Renovierung — weitgehend erhalten und einheitlicher geblieben als bei vergleichbaren Siedlungen.






Siedlungs- und Wohnhausbauten auf der Schmelz, Wien, XV.

Entwurf und Planverfassung: Wiener Stadtbauamt, Architekt Oberbaurat Hugo M a y e r

Am 21. März 1918 wurde durch den Wiener Gemeinderat die Erbauung einer großen Siedlung auf einem Teile des ehemaligen Exerzierfeldes, der Schmelz im XV. Bezirke, beschlossen, welche 150 einstöckige Häuser umfassen sollte. Da jedoch die Verhandlungen wegen Übergabe dieses Baugeländes durch den Bund an die Gemeinde erst am 7. Oktober 1919 zum Abschlusse kamen und der Bauangriff somit schon in die Zeit der raschen Geldentwertung und der großen Erhöhung der Löhne und Preise für Baumaterialien fiel, mußte sich die Gemeinde Wien unter Abänderung des ursprünglichen Projektes dahin bescheiden, vorläufig bloß 55 Häuser auszuführen. Diese Wohnbauanlage ist durch die Possingergasse, Oeverseestraße, Minciostraße und Wickhoffgasse umgrenzt und wird, wie aus dem Lageplan ersichtlich, durch die Mareschgasse, den Mareschplatz und zwei interne Querstraßen in vier Baublöcke geteilt, deren große unverbaute Innenflächen zur Anlage von Schrebergärten für die Bewohner dieser Siedlung dienen.

Die Bauarbeiten wurden im Oktober 1919 begonnen und innerhalb zweier Bauperioden im Mai 1922 vollendet. Von den 55 Häusern wurden vorerst 42 einstöckig und in bescheidener Ausstattung gebaut. So wurden zum Beispiel Decken und Stiegen nur in Holz ausgeführt, die Fassaden ganz schlicht und einfach gehalten und bloß hin und wieder durch einen Giebel belebt.

Mit Rücksicht auf den damaligen Mangel an Ziegeln wurden die Mauern aus Betonhohlsteinen verschiedener Systeme hergestellt. Die restlichen 13 Häuser, welche die zweite Bauperiode bilden, wurden schon etwas weniger dürftig ausgestattet. Es treten an Stelle der einfachen Holzstiegen Stiegen mit Kunststeinstufen; die Verwendung der Betonhohlsteine wurde weiterhin beibehalten und zur Erzielung einer größeren Anzahl von Wohnungen wurden in den Häusern des zweiten Bauabschnittes nach Tunlichkeit auch Mansardenwohnungen, und dort, wo dies ohne Störung des Gesamtbildes möglich war. zwei, ja selbst drei Stockwerke errichtet. Diese Anlage bietet in ihrem bescheidenen Ansehen mit ihrer Innenstraße und dem an diese angegliederten Mareschplatz einen Ausschnitt einer immerhin anheimelnden Kleinstadt. Durch die Erwerbung eines Ziegelwerkes in Oberlaa und eines Kalkofens in der Hinterbrühl hatte die Gemeinde Wien in bezug auf Baustoffbeschaffung viele Schwierigkeiten überwunden, so daß die sparsame Bauweise, unter anderem die Verwendung von Betonhohlsteinen, fast ganz aufgegeben werden konnte.

Im Februar 1922 konnte man an den weiteren Ausbau der Schmelz schreiten. Es wurde nun in zwei Bauperioden der große Häuserblock ("Planschbeckenbau"), begrenzt von der Possingergasse, Wickhoffgasse, Mareschgasse und Gablenzgasse, gebaut, der zum größten Teil drei Stock hoch und bloß an der Wickhoffgasse zweistöckig ist. Dieser Bauteil ist schon weniger stiefmütterlich gehalten als die vorerwähnten; er enthält eine etwas reichere Belebung der Fassade, schöne Gartenanlagen, einen Hausbrunnen mit einer zierlichen Bronzeplastik vom akademischen Bildhauer Pohl und auch das erste Kinderfreibad Wiens war hier zu finden

Im Anschlusse daran erfolgte die Erbauung des letzten Baublockes ("Hufeisenbau"), welcher von der Mareschgasse. Wickhoffgasse, Minciostraße und dem Schöllerweg begrenzt wird. Es ist dies jener Bauteil der Schmelz, wo der Schöpfer dieser ganzen Anlage, Architekt Oberbaurat Hugo Mayer, in ästhetischer Hinsicht mehr aufwenden konnte als bei den übrigen Bauteilen. Dieser Häuserblock ist teils zwei bis drei und durch Dachaufbauten an manchen Stellen sogar vier Stock hoch. Durch starke Vor- und Rücksprünge in der Fassade, durch Erker und Loggien, durch reiche Gliederung in den Dachflächen, durch Giebelbauten und so weiter erscheint dieser Block als der schönste Teil der ganzen Schmelzer Wohnhausanlage. Er hat gegen die Wickhoffgasse den Charakter eines Straßenhofes, der durch eine schöne, große Pergola, durch Rasenanlagen, Baumpflanzungen und Sitzbänke belebt ist. Gegen den Schöllerweg zu befindet sich auf hügeligem Terrain ein neugeschaffener einladender Park (Rohrauerpark), der den Bewohnern dieser Häuser Ruhe und Erholung bietet. Im Herbst 1924 war die ganze Anlage vollendet. Sie umfaßt 80.280 Quadratmeter Bodenfläche, wovon 19.508 Quadratmeter, das sind 24.5 Prozent, verbaut sind. Es wurden damit insgesamt 762 Kleinwohnungen, 22 Geschäftslokale, Ambulatorium. 9 Magazine, 7 Werkstätten und ein kleiner Vortragssaal der allgemeinen Benützung übergeben und wurde dadurch schon damals von der Gemeindeverwaltung ein nennenswerter Schritt zur Linderung der Wohnungsnot getan.

Prominente Bewohner:

Dr. Adolf Schärf 1890-1965

In den Jahren 1921 bis 1925 wohnte der spätere Bundespräsident Dr. Adolf Schärf im sogenannten "Planschbeckenbau" der Siedlung.
Eine vom Kulturverein Fünfhaus zu Schärfs hundersten Geburtstag im Jahre 1990 gestiftete Tafel am Haus Possingergasse 25 (Ecke Wickhoffgasse) erinnert an den berühmten Bewohner.
Dr. Adolf Schärfwar ein österreichischer Politiker und Staatsmann (SPÖ) und von 1957 bis zu seinem Tod 1965 Bundespräsident der Republik Österreich. Er war der dritte Präsident der 1945 errichteten und 1955 vollständig souverän gewordenen Zweiten Republik, an deren Aufbau er maßgeblichen Anteil hatte, und der erste, der nach einer sechsjährigen Amtsperiode wiedergewählt wurde.

Anton Proksch (1897-1975)

Nach der Volksschule besuchte Anton Proksch die Bürgerschule und machte anschließend eine Lehre als Schriftsetzer.
Im Jahr 1919 wurde er Angestellter der Gewerkschaftskommission Österreichs. Im Jahr 1924 wurde er Sekretär der Jugendabteilung des Bundes freier Gewerkschaften. Im Jahr 1935 wurde er wegen angeblicher Vorbereitung zum Hochverrat verhaftet und beim Sozialistenprozess zu einer Haftstrafe verurteilt. Seit 1936 und während der nationalsozialistischen Herrschaft war Proksch wieder in seinem erlernten Beruf tätig.
Unmittelbar nach dem Ende des Krieges wurde er wieder gewerkschaftlich und politisch aktiv. Im Jahr 1945 war er Sekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und ein Jahr später stieg er zum Generalsekretär der Organisation auf. Von 1945 bis 1966 war er Nationalratsabgeordneter der SPÖ und zwischen 1956 und 1966 Bundesminister für soziale Verwaltung.

Stella Klein-Löw (1904-1986)

...

Johann Böhm (1886-1959)

Nach dem Besuch der Volksschule und der Bürgerschule in Waidhofen an der Thaya erlernte Johann Böhm den Beruf des Maurers. 1903 trat er der Gewerkschaft bei. Ab 1921 war er Leiter der Wiener Ortsgruppe der Baugewerkschaft. Ab 1927 war er Mitglied des Gemeinderates der Stadt Wien. Von 1930 bis 1934 war er Abgeordneter zum Nationalrat.
1939 wurde er Polier, ab 1940 war er bei einer Bauberufsgenossenschaft tätig.
Böhm war von April bis Dezember 1945 Staatssekretär für Soziale Verwaltung. Er gehörte 1945 zu den Gründern des überparteilichen Österreichischen Gewerkschaftsbundes, dessen Präsident er von 1945 bis 1959 war. Im selben Zeitraum war er auch Zweiter Präsident des Nationalrates und Mitglied im SPÖ-Vorstand. 1947 schloss er ein geheimes Abkommen mit Franz Olah zur Bildung einer antikommunistischen Geheimarmee mit dem Tarnnamen Österreichischer Wander-, Sport- und Geselligkeitsverein.
Johann Böhm war einer der Hauptinitiatoren der „Sozialpartnerschaft“ und blieb auch Jahrzehnte nach seinem Tod in Erinnerung: Aus Anlass der 125. Wiederkehr seines Geburtstages fand am 28. Jänner 2011 im Plenarsaal des österreichischen Nationalrates ein Festakt in Anwesenheit des Bundespräsidenten und hochrangiger Funktionsträger und Mitarbeiter der österreichischen Sozialverwaltung statt.[

 

Home